paulus buscher das stigma waldeck edelweisspiraten
 

paulus buscher: kleinschreibweise

erklärung der herleitung --
 Jakob Grimm ... und die stilform der moderne --

 

eigene texte setze ich konsequent in kleinschrift. fremdtexte, die im original in gemischter schreibweise verfasst wurden, sind in absolute kleinschreibweise überführt. >solche fremdtexte sind wie hier gekennzeichnet.<

dj.1.11 wählte die moderne kleinschreibweise, wie sie für das »bauhaus« typisch war. die behauptung, »tusk« habe die kleinschrift von Stefan George übernommen, der sie in ganz individueller weise für die aesthetische stilisierung seiner sprach-schöpfungen verwandte, ist falsch. im gegenteil wurde die dichtung Georges in dj.1.11 als spiessig und antiquiert angesehen und daher abgelehnt. auch der hinweis auf die kleinschreibenden »heilsbringer« à la Gustav Nagel und die von der masse verhöhnten »kohlrabi-apostel« der notzeit nach dem 1. weltkrieg geht an der wahrheit und am grundverständnis für die sache vorbei. warum diese die absolute kleinschrift verwendeten, ist wahrscheinlich nirgendwo erklärt. vielleicht folgten sie lediglich aus gründen der selbstdarstellung der mode des originellen in der »neuen« zeit.

in dj.1.11 setzte sich jedoch die auffassung durch, dass die absolute kleinschrift eine revolutionäre schreibform sei, mit der die hochmütigen dome und zitadellen der versalien, die zwingburgen der substantive, gleich den fürsten, kaisern und königen abgeschafft würden. die kleinschreibweise entspricht aesthetisch dem egalitären wesen bündischer gesellung.

in den zwanziger jahren galt den fortschrittlich denkenden die kleinschrift als symbol für die erneuerung der gesellschaft in freiheit und gleichberechtigung. die neuerer auf den gebieten der technischen moderne, ingenieure und architekten, sahen in der kleinschreibweise den aesthetischen und funktionellen stil des zwanzigsten jahrhunderts, in dessen maschinenwelten althergebrachte schreib- und schriftformen nur befremdlich wirkten.

es ging um die anschauliche einheit der zeichen in inhalt und form, und es ging auch um die ökonomisierung industrieller arbeitsabläufe. der VDI, verein deutscher ingenieure, hatte die kleinschrift unter solchen gesichtspunkten, als aber auch als ausdrucks-form der sogenannten »stahlzeit« propagiert. (1)

(1)

>fundament der organisation<, herausgegeben von dr.-ing. Richard R. Hinz. verlag des vereins deutscher ingenieure (VDI), berlin 1920. >sprache und schrift< von dr. W. Porstmann.

 

die forderung auf abschaffung der versalien existierte indes seit längerer zeit. Jakob Grimm, germanist, einer der brüder Grimm, galt für die revolutionäre in der jugendbewegung als der ihnen geistig verwandte »kleinschreiber«. er forderte gleich ihnen -und bereits schon zu anfang des 19. jahrhunderts- eine abkehr vom »deutschen stil und charakter« in sprache und schrift. (2)

 
(2)

>Jacob Grimm und sein bruder Wilhelm<. sammlung Metzler. realienbücher für germanisten. Ludig Denecke, stuttgart.
ISBN 3-476-10100-2.

 
(2.1)

für die bewusst freiheitlichen künstler mag jedoch auch der germanist Bedeus eine grosse bedeutung gehabt haben. er schrieb 1913 (in 2, s.70 ff.): > (...) »in der zeit des finstersten mittelalters, in der zeit des verrohens und des unwissens, wie sie weder früher noch später je wiederkehrte, griff die unsitte des grosschreibens der hauptworte um sich, in dem man grosse staben zunächst nicht nur am anfang des satzes und der namen schrieb, sondern namentlich auch den namen gottes oder des herrn oft durchgängig mit grossen staben schrieb. das ging dann über auf andere titel und würden, bis man schliesslich bald jedem hauptwort seine untertänigkeit durch gross-schreiben bezeigte. (...) dieses überbleibsel mittelalterlichen geistes wird nun als nationalheiligtum hinzustellen gesucht. ja, es heisst, dass diese schreibung das lesen erleichtere. wenn auch, so gewiss nur minimal. liest man doch sämtliche andereschriften der welt, ohne dass sie grosse staben schreiben würden! nur die deutsche belastet sich mit dieser erschwerung!<

(2.2) (in 2, s. 103 ff.: > (...) es ist bemängelt worden, dass die deutsche germanistik, befangen in der rückwärtsgewandtheit Jakob Grimms, den studenten kein kolleg über rechtschreibung böte. es mag dahingestellt sein, ob ein solches kolleg nützlich wäre. auf jeden fall aber gehört Jakob Grimm an den anfang einer geschichte der modernen deutschen rechtschreibungsreform. seine bemühungen in diesem punkte gingen über jahre, und ihr weitgehender misserfolg gegenüber einem zähen traditionalismus hat ihn geradezu erbittert. schon 1817 protestierte er gegen barocke schreibweise und gegen die »ursprünglich höchst philistrische erfindung der grossen buchstaben«. ausführlich und grundsätzlich äusserte er seine progressiven ansichten in der vorrede zum Dwb (=deutsches wörterbuch, 1, sp. 54-62; kleinschrift 8, s. 364-374), persönlich zum beispiel in einem brief an Johann Haering in vodnan, südmähren (3.2.1855).
progressiv war Jakob Grimm auch in der benutzung der antiqua anstelle der fraktur, die er 1820 für den druck der 2. auflage des ersten bandes der grammatik (1822) durchsetzte, worin ihm Rask schon 1817 vorausgegangen war. gleichzeitig wurde auch die kleinschreibung der substantiva eingeführt. (...) von nun an ging Grimm auch in seinem schriftwechsel zu lateinischen und kleinen anfangs-buchstaben der substantiva über. (...) scharf genug war dann die äusserung in der 3. auflage des 1. bandes der »deutschen grammatik« (1840, s. 26):
»wer die sogenannte deutsche schrift (meinte fraktur, (3) braucht, schreibt barbarisch, wer grosze buchstaben für den anlaut der substantive schreibt, pedantisch« (»barbarisch-pedantisch« hatte Goethe in einer rezension von »des knaben wunderhorn« ein gedicht genannt); und ähnlich geht es in der rede »über das pedantische« (1847)«.
  (...) »deutsches wörterbuch«: »der titel nahm noch einmal die wortfügung auf, die bei den sagen, der grammatik, den rechtsaltertümern, der mythologie und der heldensage angewandt war und der in dem worte »deutsch« noch immer nach jacobs eigenwilliger prägung die bedeutung von »diet«, »volk«, also »aus dem volke gekommen«, »von der art des volkes« mitklingt. und für eine breite öffentlichkeit war das werk bestimmt. für wissenschaftliche zwecke wäre die anordnung nach wortstämmen naheliegend gewesen. Jacob Grimm wählte bewusst die antiqua-schrift und die durchgehende kleinschreibung, auch hätte er gern die orthographie von ihrem kanzleischwulst befreit. im ganzen war das »deutsche wörterbuch« ganz bewusst und eindeutig gegenwartsbezogen und hätte es vielleicht mehr bleiben oder in einer form des concise dictionary wieder werden sollen.<
 
(3) Hitler liess am 3. januar 1941 die fraktur verbieten. in dem verbotsschreiben der reichskanzlei heisst es: > die sogenannte gotische schrift als eine deutsche schrift anzusehen oder zu bezeichnen ist falsch. in wirklichkeit besteht die sogenannte gotische schrift aus schwabacher-judenlettern. (...) die verwendung der schwabacher-judenlettern durch behörden wird künftig unterbleiben. (...) gez. M.Bormann.< (»klassiker in finsteren Zeiten 1933-1945«. ausstellungskatalog, DLA, marbach am neckar 1983, band 1).





 

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